Von Zweibrücken abgefahren.
Am 20. August 1914 abends nach Hornbach, die Nacht durchgefahren.
Am 22. durch Rohrbach, wo Hunderte von toten Deutschen und Franzosen lagen.
In Rohrbach sieht‘s bös aus. Hier hat der Gräuel des Krieges gehaust. Arme Bewohner! Hier hatten die Franzosen gute Stellung. Das Bayerische Heer hat aber gesäubert, hat aber auch viel Blut gekostet. Zwei Bürgermeister wurden erschossen. Sie haben den Franzosen unsere Stellung verraten. Hier ist alles ausgeplündert von den Franzosen.
Wir, das Landwehrregiment, haben auch 3 harte Tage hinter uns. Wir haben kein Brot, kein Bier, keinen Wein, keine Zigarren. Nachts hartes Lager. Morgens und abends etwas Kaffeebrühe, Obst, Pflaumen, gelbe Rüben, Wasser – das ist gut. Kartoffeln werden ungeschält gegessen.
Sonntag, den 23. August
Den ganzen Tag Schlachtfeld abgelaufen, Tode begraben und Uniformstücke zusammengetragen bei Hitze, Durst und Hunger.
Den 25. August morgens los von Monkurt (Moncourt), nüchtern, ganz taub, morgens 8 Uhr über die Grenze, den ganzen Tag marschiert bis zur Todesermattung. Haufenweise sind sie an der Straße gelegen. Dieser Tag lässt sich nicht beschreiben. Einen Acker Bodenrüben hat das Bataillon gegessen.
Gestern Nachmittag, den 27. August, bin ich durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit vom sicheren Tod verschont geblieben. 6 m von mir weg hat eine feindliche Kanone eingeschlagen, ohne recht zu platzen. Dutzendweise flogen die Geschosse über unseren Köpfen, als wir im Schützengraben lagen. Gott sei Lob und Preis in alle Ewigkeit.
Wie durch Gottes Wunder bin ich auch heute am 28. August von Granaten und Schrapnells verschont geblieben, obwohl Dutzende von Kanonen links und rechts von uns einschlugen. Gepriesen sei Gott der Vater und der Sohn samt dem heil. Geist in alle Ewigkeit.
Der 29. August war ein herrlicher Tag, Arbeit keine, Essen und Trinken im Überfluss, morgens Kaffee, Wein, Weißbrot, ein Pfund Fleisch, Bier genug und guter, herrlicher Wein.
Am 10. Sept. rückten wir ins Schloss Sankt Nikolaus Lunewille (Luneville), großartiger Bau. Vom 10. auf den 11. Sept. im Schloss Nikolaus, auch mal wieder gut geschlafen.
Vom 12. auf 13. September Sonntag bei Röschekurt (Rechicourt), das war die scheußlichste Nacht, die ich bis jetzt erlebt habe. Im Schützengraben, bei strömendem Regen mit eisigem Sturmwind, Stiefel voll mit Wasser, schier erfroren.
Sonntagmorgen 4 Uhr mit Kochgeschirr den Schützengraben ausgeschöpft. Unbeschreiblicher Sonntagmorgen.
Am 4. Okt. Sonntag vorm. im Schützengraben bei Wick (Vic). Nachm. war Sonntagsruhe. Wir tranken Wein und Bier in Wick (Vic), waren heiter und fröhlich bei Gesang wie in der Garnison.
Den 5. Okt. morgens 5 Uhr von Wick (Vic) abmarschiert auf Vorposten bei Becasch (Bezange) an der Grenze in Frankreich.
Den 5., 6., 7. Okt. auf Vorposten. Den 6. nachm. haben die Kanonen scharf daneben gepfiffen.
Am 18. Oktober, Kirchweihsonntag, morgens, wieder nach Wick (Vic) ins Quartier gekommen. Eine Nacht im Bett geschlafen. Am Kirchweihsonntagnachmittag Bier und Wein getrunken, Leberwurst und Ochsenmaulsalat gevespert.
Am 25. morgens 4 Uhr bei Regen auf Vorposten, Höhe 300 bei Becasch (Bezange). Abends zurück, Artilleriefeuer auf Weinberghöhe bei Wick. Sehr schlechte Nacht, auf nasser Erde gefroren.
Am 1. Nov. nach Wick (Vic) gekommen ins Quartier, nachmittags hat unser König uns besucht, uns begrüßt auf Paradeplatz in Wick (Vic).
Am 6. Dez. war herrlicher Sonntag in Wick (Vic), morgens in der Spitalkapelle kommuniziert, 9 Uhr Predigt, Hauptgottesdienst, abends Rosenkranz.
Die Tagebucheintragungen veranschaulichen in eindringlicher Weise die, aus heutiger Sicht, Sinnlosigkeit des Stellungskriegs im Ersten Weltkrieg.
Die 5. Kompanie Landwehrregiment 2.122, Erste Bayrische Landwehr Division, der Karl Fischer angehörte, bewegte sich 14 Monate lang einmal ein wenig vor, einmal ein wenig hinter deren Kampflinie.
Im Grunde genommen hat sich in der ganzen Zeit nichts verändert, außer, dass auf beiden Seiten zigtausende Menschen umgekommen sind, zerstörte Dörfer, verwüstete Landschaft, Leid, Tränen…
Der Erste Weltkrieg kostete 56 Oberkochenern das Leben. Ihnen zum Gedenken wurde 1922 der Lindenbrunnen errichtet.
Von Frau Anna Posmik erhielten wir freundlicherweise die Zustimmung zur Ausstellung des Kriegstagebuchs ihres Vaters, Herrn Karl Fischer „Napoleon“ (23.2.1880 - 14.4.1968) aus dem Ersten Weltkrieg.
Es beginnt am 20.8.1914 mit der Abfahrt in Zweibrücken und endet am 8. Oktober 1915 in Avricourt/Leintrey, wo Karl Fischer schwer verwundet, und von wo aus er 5 Tage später mit dem Lazarettzug nach Pforzheim transportiert wurde.
Hafner Karl Fischer
Ende der 1950er Jahre in seiner Werkstatt in der heutigen Heidenheimer Str. 28