Lutherisches Holz in der katholischen Kolpinghütte

Von Otto Schaupp, dem Planer der Kolpinghütte, erfuhr ich wie es kommt, dass sich beim Bau der katholischen Kolpinghütte zwei uralte evangelische Holzbalken in das Innere der vor 25 Jahren errichteten Architektur eingeschlichen haben.

Die Hütte war um einen großen gemauerten Kamin als dem wichtigsten gestalterischen Schwerpunkt der Architektur herum gebaut, und man konnte die Ausstrahlung, die vom Innenraum des Baus mit der gemütlichen Feuerstelle ausgehen würde, schon gut ermessen.

Jetzt fehlte noch irgend ein vertikales Attribut aus Holz zwischen dem Kamin und dem ersten Fenster - - ein senkrechter alter Holzbalken zum Beispiel, der die Fläche gliedern und einen pfiffigen gestalterischen Kontrast zu der modernen Architektur herstellen würde.

Lange suchten der Planer und sein damaliger Kolpingsbruder und wichtigster Mitarbeiter, Martin Bopp, nach einem solchen alten Holzbalken, die ja bekanntlich weder im Wald noch auf dem Holzmarkt wachsen.
Der reine Zufall führte noch rechtzeitig vor der Einweihung der Hütte auf der Heide zum Erfolg.

Es war die Zeit, da die alte evangelische Kirche, die schon lange ausgedient hatte, zur Stadtbibliothek umgewandelt wurde. Vor der Kirche stand ein großer Container, welcher sich langsam mit Schrott und Dingen füllte, die nicht mehr verwertbar schienen. (Kronleuchter).

Eines Tages lagen dort verschiedene alte Holzbalken, von denen vor allem zwei das Herz der beiden auf Balkensuche befindlichen Hüttenbauer höher schlagen ließen. Noch ehe der Container abgefahren wurde, luden sie die beiden Balken auf einen Hänger und bewahrten sie so vor der Fahrt in die Geschichtslosigkeit.
Bei einem der beiden Balken handelte es sich ganz eindeutig um den Kanzelstuhl der hölzernen evangelischen Kanzel, die vorne an die Südwand des Kirchenschiffs angebaut gewesen war. Auf einem Foto aus dem Jahr 1952, das auf Seite 69 des Büchleins „400 Jahre evangelische Kirchengemeinde Oberkochen“, das Christhard Schrenk im Jahr 1983 geschrieben hat, zu finden ist, kann man den achteckigen Kanzelbalken samt den Verstrebungen, die im Container noch im Verbund mit dem Balken waren, gut erkennen.
Die Balken stammen indes nicht aus der ersten evangelischen Kirche, sondern von einem Neubau, der 1875 eingeweiht worden war.

Dennoch war die Oberfläche des Stuhlbalkens vom Zahn der Zeit etwas angenagt und vor allem auch durch den Ausbau leicht beschädigt, sodass man die Balken beim „Brunnhuber“ vorsichtig um ein Winziges bearbeitete.
Der alte evangelische Kanzelstuhl passte nun wie eine Eins an die vorhergesehene Stelle.

Der andere sichergestellte Balken, der waagrecht oben auf den Kanzelbalken gesetzt wurde, wies ein auffälliges Loch auf, das aufgrund der Scheuer- und Schleifspuren an Lochanfang und Lochende zweifelsfrei als der geschichtsträchtige Balken erkannt wurde, durch welchen das Glockenseil durchs Schlafzimmer der Pfarrersfamilie hinauf in den Glockenstuhl, damals noch in Gestalt eines unscheinbaren Dachreiters, führte.

Das jedoch ist eine Geschichte für sich. Jedenfalls soll aber gesagt sein, dass der evangelische Pfarrer seine Glocke vom Bett aus zum Läuten bringen konnte.

Dieser Balken ließ die Idee aufkommen, neben den Kamin eine Glocke zu installieren, vermittelst derer sich Referenten und wer sonst auch immer Gehör verschaffen können würden.
So baute man eine Konstruktion, die den evangelischen Kanzelstuhl zu einem katholischen Glockenstuhl umwandelte und den oberen Querbalken wieder seinem Urzweck zuführte, denn das katholische Glockenseil lief und läuft noch friedlich durch das evangelische Loch, wenn die zunächst provisorische kleine Glocke geläutet wurde.

Dann war es die sogenannte „Bagage“, die durch entsprechende Beziehungen in Österreich eine größere Glocke gießen ließ, vermittelst derer seither die Besucher um Aufmerksamkeit gebeten werden. Die Wippkonstruktion baute der „Hugaschreiner“.

Von der konfessionellen Umwidmung der Balken wusste anfangs niemand etwas - denn wie sie drin waren, die evangelischen Balken, waren sie halt drin - und sie erfüllen bis heute unbeanstandet ihren ökumenischen und gesellschaftlichen Zweck.

 
Übersicht

[Home]