Gottvertrauen

In den frühen Sechzigern des letzten Jahrhunderts geriet, völlig von der Spur gekommen, ein Oberkochener Geistlicher auf der Suche nach dem Jakobsweg nahe der Niedersonthofener Seen in ein Sumpfgebiet, und kam, ehe er sich’s versah, unweit der damals noch wenig befahrenen Landesstraße in große Not. Er war schon bis zur Leibeshälfte eingesunken, als ihn wie durch Gottes Fügung die Besatzung eines von Niedersonthofen kommenden Feuerwehrfahrzeugs von der Straße her entdeckte, anhielt, so nahe wie möglich zu ihm hineilte und fragte, ob sie ihm behilflich sein könne. Der Gottesmann lehnte jedoch jegliche Hilfe ab und verwies darauf, dass er auf Gott vertraue, und rief

„Herr hilf mir“

Also fuhren die Männer weiter.

Auf ihrem Rückweg kam das Feuerwehrfahrzeug abermals an der Stelle des sich anbahnenden Unglücks vorbei. Die Feuerwehrmänner hielten erneut an und eilten zu dem inzwischen bis zu den Schultern im Sumpf verschwundenen Pfarrer und sagten, dass es nunmehr höchste Zeit sei, dass er sich helfen lasse. Doch der Pfarrer lehnte standhaft auch diesmal die Hilfe der freundlichen Feuerwehrleute ab, die ihn kopfschüttelnd seinem Schicksal überließen. Sie hörten noch sein inbrünstiges

„Herr hilf mir“

Einer von ihnen jedoch, als sie in Niedersonthofen angekommen waren, überzeugte die anderen davon, dass man dem Manne umgehend helfen müsse, ob dieser nun wolle oder nicht, - wenn es nicht inzwischen schon zu spät sei.

Also fuhren die braven Feuerwehrleute erneut zu der Stelle nahe dem Sumpf - und fanden den Pfarrer in größter Not vor. Die braune Sumpfbrühe stand ihm schon bis zum Munde. Ein letztes Mal verweigerte er mit dem Hinweis darauf, dass er Gott vertraue, den Beistand der hilfreichen Männer und verschwand mit einem fromm gluckernden

„Herr hilf mir“

in des Sumpfes Schlund.

Die Feuerwehrleute fuhren genervt, ja erschüttert, in den Niedersonthofener „Adler“ und gurgelten ihren Frust mit Meckatzer Löwenbräu hinunter.

Wenig später klopfte der wie beschrieben Ertrunkene an die Pforte des Himmels.
Petrus tat ihm auf und hieß ihn herzlich willkommen. Der Pfarrer indes sprach Petrus etwas unwilligen Sinnes dahingehend an, dass es eine Schande sei für den Himmel, dass man einen dermaßen stark in Gott vertrauenden Seelsorger wie ihn, zudem auf der Suche nach dem Jakobsweg befindlich, so jämmerlich in einem bayerischen Sumpfe versaufen habe lassen. Petrus wollte ihn beruhigen, der Ertrunkene aber bestand darauf, in dieser Sache den Chef persönlich sprechen zu wollen.

Als der Vorgesetzte von Petrus, Gottvater, gar groß und mächtig daher gekommen war, beklagte sich der von diesem so arg enttäuschte Pfarrer bei demselben und schloss mit der Frage, was Gottvater in dieser Angelegenheit vorzubringen habe.

„Mein Sohn“, antwortete Gott Vater, „ich kann mir keine Vorwürfe im Zusammenhang mit Deinem Ungeschick machen – was kann ich mehr tun, als Dir auf Deine inbrünstigen Bitten hin drei Mal die Feuerwehr vorbei zu schicken.“?

 
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