Serie »Oberkochen - Geschichte, Landschaft, Alltag«

 

90 Jahre – Hoch angesehen und beliebt wie eh und je

 

Ein herrliches Ensemble – Turm und Hütte

Einführung.

Der Volkmarsbergturm und seine Umgebung – einen spannenden historischen Film könnte man da über die Ereignisse im Laufe der Jahre auf unserem Hausberg, dem 743 M hohen Volkmarsberg, drehen. Am 25. Mai 2020 feiert der „Hochbetagte“ seinen 90. Geburtstag. In Zeiten von „Corona“ still, allein, ohne Ehrengäste und Feiergemeinde, als wenn er beschützt werden müsste.

 

Die erste Schutzhütte von 1924

 

Dieser Turm auf dem Berg gleichen Namens mit seiner umliegenden Landschaft gehört zur Oberkochner Seele und bei vielen, die in jungen Jahren den Ort verlassen haben, um sich in der Welt einen Platz zu suchen, gehört eine Wanderung auf den Hausberg einfach dazu, wenn sie wieder mal auf Besuch im Heimatort weilen. Kein schöneres Gefühl, als im Sonnenschein die Beine auszustrecken, den Turm zu besteigen und den Blick über die weite Landschaft schweifen und sich von der Hüttenmannschaft verwöhnen zu lassen. Herz was willst du mehr.

Dieser Berg mit seiner Landschaft, seinem Ausblick, der Wacholderheide, dem Wald und den Wanderwegen, der Skihütte und dem Turm mit seiner Aussicht sowie der Schutzhütte ist für uns Oberkochner sehr wichtig. Der Wald mit seinen Nadel- und Laubbäumen hat einen eigenen Geruch und ist ein wunderbares Naherholungsgebiet. Wir haben dort oben gespielt, sind Schlitten gefahren, haben das Skifahren und das Skispringen (!) gelernt und sind mit den Eltern spazieren gegangen, sind gejoggt oder gewalkt und haben das alte Fest der Feste auf der Wiese in der Nähe der Skihütte gefeiert – das Kinderfest alten Stils.

Blicken wir auf die Geschichte unseres Turmes zurück, die ohne die Vision, den Willen und den Anstrengungen derer, die vor uns lebten, nicht möglich gewesen wäre: Alle Bürgermeister und Förster (besonders Karl Schurr) sowie Gemeinderäte, die Lehrer Mager, Braun und Erben, Fabrikant Fritz Leitz, Paul Grupp und Hermann Illg, Architekt Mannes, Alfred Maier, das Dreamteam Hahn / Neuhäuser, die Holzmacher-Truppe, den Kolb’s und „Eiche“ Eichentopf, den Handwerksbetrieben Trittler, Wingert, Brunnhuber und vielen Freiwilligen sowie wir alle, die dafür sorgen, dass am Hausberg Leben herrscht.

 

Der Turm von 1897

 

Die Geschichte des Turms.

Im Jahr 1890 wurde vom Staatlichen Vermessungsamt ein 11 Meter hoher Holzturm zu Mess- und Orientierungszwecken erbaut. 1897 wurde der Turm vom Schwäbischen Albverein übernommen, um 5 Meter auf nunmehr stattliche 16 Meter erhöht und am 27. Juni 1897 mit einem entsprechenden Fest eingeweiht. 1905 war die Pracht aber schon am Ende. Der Turm musste wegen Baufälligkeit gesperrt werden und 1911 gab ihm ein kräftiger Sturm den Rest und zerlegte ihn.

Es kamen die Kriegsjahre und die schwere Zeit mit Inflation und Arbeitslosigkeit und die Ortsgruppe des SAV verlor nahezu ihr gesamtes Vermögen – an einen Wiederaufbau war aber nicht zu denken. Es gab aber Männer, die eine Vision für einen neuen Turm hatten. Einer davon war Fritz Leitz, ein Nachkomme aus der 2. Generation des Firmengründers Albert Leitz. Er war von 1921 bis 1934 Vorsitzender der örtlichen SAV-Gruppe. 1929 lagen Wünsche, Architekten- und Finanzierungspläne vor. Es gab Diskussionen über die Umsetzung und die Finanzierung und nachdem sich alle geeinigt hatten, Fritz Leitz eine Art Vorfinanzierung übernahm und sich die Gemeinde finanziell beteiligte, konnte es im gleichen Jahr losgehen und am 1. November waren die Rohbauarbeiten fertig. Anschließend ging es an die Innenarbeiten. Die Berghütte, die erste Vorgängerin der heutigen Schutzhütte aus dem Jahr 1923 (Einweihung am 5. Okt 1924), diente den auswärtigen Arbeitern aus Ulm als Koch- und Schlafstätte. Es wurde unter Beteiligung vieler Firmen hart und fleißig gearbeitet:

 

Die Männer, die den Turm 1929 errichteten

 

Maurermeister Trittler hatte eine Steinbrechmaschine im Einsatz, Glasermeister Wingert setzte die Fenster, Zimmermeister Brunnhuber war für den Bodenbelag und die obere Treppenabdeckung zuständig, die Schreinerarbeiten fielen an die Schreinerei Fischer. Schlosserarbeiten erledigte die Bauschlosserei Walz aus Heidenheim und Malerarbeiten wurden von Richard Holz aus Aalen durchgeführt. Für die Betonierung zeichneten die Firmen Jakob Vogt Ulm in Verbindung mit dem Baugeschäft Aisslinger Aalen. Die Bauaufsicht hatte ein Architekt Schmid. Nach seiner Fertigstellung stand der Turm in seiner ganzen Pracht da:

23 Meter hoch, 5 Stockwerke, 11 Treppen und 104 Stufen und einem Gesamtgewicht von 390 Tonnen. Die Baukosten betrugen 31.200 DM. Und noch eine bemerkenswerte Zahl: Die benötigten 45.000 Liter Wasser mussten mit Fuhrwerken über das Tiefental hochgeschafft werden – wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

 

Einweihungsfest am 25. Mai 1930

 

Am 25. Mai 1930 war es soweit. Prof. Dr. Nägele, der Vorsitzende des Schwäbischen Albvereins, eröffnete die Feierlichkeiten vor rund 4.000 anwesenden Wanderern und ab dem Tag darauf war er dann auch für die Öffentlichkeit gegen eine Gebühr von 20 Pfennig (eine Brezel hat weniger gekostet) zugänglich.

 

Die SAV Rundschau anlässlich der Turmeinweihung 1930

 

Volkstanz in alten Zeiten um den Turm

 

1945 bis 1960 Der Turm ist von den Amis besetzt

 

Die Jahre danach

brachten gute Zeiten und schlechte Zeiten. 1933 wurde der Bau der Volkmarsbergstraße begonnen. 1945 war dann „Schluss mit lustig“, die eingerückte US-Armee übernahm den Volkmarsberg, zäunte ihn ein und hielt ihn bis ins Jahr 1960 besetzt. Ab 1961 bekam die Bevölkerung „ihren Turm“ wieder zurück. Umgehend wurde mit einem Neubau der Schutzhütte begonnen, da die alte nach der Besetzungszeit nicht mehr zu benutzen war, und 1962 fertiggestellt. Die Wanderer hatten nun ein schönes Wandergebiet, einen tollen Aussichtsturm und eine neue Schutzhütte zur Verköstigung. 1974 brannte die Hütte ab und wurde nach 9.000 Arbeitsstunden im selben Jahr wiederaufgebaut und eröffnet. 1981 – der überall wandernde Bundespräsident Prof. Carl Carstens besuchte den Turm und ca. 3.000 Mitwanderer mussten mit Erbseneintopf vom THW verköstigt werden. 1982 fand eine besondere Sonnwendfeier statt, dieses Mal nach Art der schwedischen Mittsommernacht mit der Musik- und Folkloregruppe »Bollebygds Spelmanslag« und einem richtigen Mittsommernachtsbaum. Im gleichen Jahr wurde auch eine große Renovierung für 80.000 DM durchgeführt. 1990 führte an Christi Himmelfahrt, aus Anlass des 60jährigen Bestehens, eine Sternwanderung von über 3.000 Wanderern auf den Berg. Im Jahr 2000 wurde der 70te, 2005 der 75te und 2010 der 80te gebührend gefeiert. Dazwischen erhielt der Turm im Jahr 2008 ein neues Kleid und man kann heute sagen: „Du hast dich gut gehalten“ und mögest du uns noch lange erhalten bleiben, damit wir dich und deine Umgebung weiterhin als wunderbares Naherholungsgebiet genießen können.

 

Ein Winter wie er früher einmal war – Ein Traum in blau-weiß

 

Video von Roland Abele

 

 

Wilfried „Billie Wichai“ Müller, der am Fuß des Berges, am Sonnenberg, groß geworden ist, Email: wichai@t-online.de, Mobil: 0171 2217 530, Frühlingstraße 2, 73447 Oberkochen oder Postfach 1328, 73444 Oberkochen

 

 
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